Über mich

Nach dem Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover mit Auslandsaufenthalten in Winterthur (Schweiz) und Chicago (USA) habe ich meine Ausbildung zum Facharzt für Radiologie an den Universitätsklinika Lübeck und Hamburg absolviert. Nach meiner Tätigkeit als Oberarzt im Marienkrankenhaus Hamburg, habe ich zuletzt als ärztlicher Standortleiter im Kernspinzentrum Hamburg Nordwest gearbeitet. Seit Oktober 2021 bin ich als ärztlicher Leiter bei der Radiologischen Allianz in Hamburg angestellt.

Ich bin Gutachter für international renommierte Fachzeitschriften u.a. European Radiology und zertifizierter Interventioneller Radiologe der DeGIR, Stufe 2 für Gefäßmedizin und Embolisation (Modul A und B). Seit Oktober 2019 bin ich zertifizierter muskuloskelettaler Radiologie der Deutschen Röntgengesellschaft (Stufe Q1). Ich habe zahlreiche Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen gehalten und bin Autor und Koautor von mehreren Originalarbeiten in wissenschaftlichen Journalen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Karul+M)

Meine Mitgliedschaften:

  • Radiological Society of North America (RSNA)
  • European Society of Radiology (ESR)
  • Deutsche Röntgengesellschaft (DRG)
  • Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR)
mein Buch
Murat Karul

Mein Buch

Neurophysiologie der Willensfreiheit

Als Medizinstudent habe ich mich 2007 für meine Doktorarbeit an Professor Torsten Passie gewandt. Er regte an, mich mit dem Thema Willensfreiheit zu beschäftigen. Die Frage nach dem freien Willen hat die Menschen seit jeher bewegt und beschäftigt. Philosophen und Wissenschaftler diverser Disziplinen, aber auch Laien haben sie diskutiert. Bis heute ist diese Kontroverse nicht abgerissen.

Nicht selten wird derzeit behauptet, dass ein freier Wille gar nicht existiere. Doch basieren viele Schlussfolgerungen der aktuellen Debatte erstaunlich wenig auf empirischen Experimenten und Befunden, sondern es wird in suggestiver Weise aus Einzelbefunden Grundlegendes abgeleitet. Bei genauem Hinsehen ist festzustellen, dass im aktuellen Diskurs die tatsächlichen Experimente, die zur Willensfreiheit durchgeführt wurden, kaum bekannt sind.

Diese enorme Lücke versucht das vorliegende Buch zu schließen. Es werden darin sämtliche empirischen Experimente, insbesondere auch neurophysiologischer Art, systematisch dargestellt und eingeordnet. Synoptische Darstellungen des aktuellen physiologischen und psychologischen Kenntnisstandes runden die Darstellung ab. Somit erhält der Leser einen umfassenden Überblick über das Thema Willensfreiheit und die experimentelle Grundlagenforschung dazu.

Einleitung als Leseprobe

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Neurophysiologie der Willensfreiheit, Dr. med. Murat Karul

„Das Buch von Dr. Karul enthält eine vollständige Darstellung der neurophysiologischen Experimente, die zum Thema Willensfreiheit unternommen wurden. Es stellt damit die notwendigen – aber meist nur wenig berücksichtigten – empirischen Grundlagen für eine kompetente Erörterung des Themas Willensfreiheit vor.“

Prof. Dr. med. Torsten Passie, Harvard Medical School (Boston, USA)
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Neurophysiologie der Willensfreiheit

Einleitung

Wie wir bewusste Handlungen generieren, ist von zentraler Bedeutung für eine der grundlegenden Fragen der Konstitution des Menschseins, nämlich die Frage der Willensfreiheit. Gewöhnlich wird angenommen, dass nach einer Handlungsabsicht die Gehirnaktivität einsetzt und zum Willensakt führt, d.h. der Willensakt würde durch einen bewussten Vorgang eingeleitet. Was aber, wenn eine spezifische Gehirnaktivität schon vor der Handlungsabsicht nachweisbar wäre?

Die experimentellen Untersuchungen zur Willensfreiheit wurden 1965 durch eine Entdeckung von Kornhuber & Deecke eröffnet. Sie demonstrierten, dass einem Willensakt (z. B. plötzliches Krümmen der Finger) regelmäßig eine messbare elektrische Veränderung der Gehirnaktivität im Electroencephalogramm (EEG) voranging. Diese elektrische Veränderung begann etwa 800 ms bevor eine Versuchsperson einen „Willensakt“ vollzog. Sie wurde als eine vorauslaufende Bereitschaft verstanden und daher Bereitschaftspotential (BP) genannt. Im angloamerikanischen Sprachraum wird das Synonym „Movement-Related Cortical Potential“ (MRCP) verwendet. Nach dieser neurophysiologischen Entdeckung sahen sich Psychologen und Neurologen gehalten, über das Thema „Willensfreiheit“ erneut nachzudenken. Von da an gab es einen stetigen Anstieg von Veröffentlichungen zu den Themen Wille, Selbstkontrolle und Handlungsabsicht.

Der amerikanische Physiologe Benjamin Libet speiste 1983 die jahrhundertealte Debatte um den freien Willen mit erstaunlichen empirischen Daten. In einer Zeit, in welcher Bewusstseinsforschung durch die verhaltenswissenschaftlichen Paradigmen noch tabuisiert war, zeigte er in elektrophysiologischen Experimenten, dass das BP schon ca. 350 ms vor dem Bewusstsein einer Handlung auftritt. Mit zeitlicher Verzögerung sorgten Libets Ergebnisse für eine kontroverse Diskussion in den 1990er Jahren, in deren Verlauf zahlreiche Hirnforscher derartige Experimente in abgewandelter Form wiederholten.

Mit der vorliegenden Arbeit wird ein Überblick über diese empirischen Studien gegeben. Um vor allem die mit modernen Methoden durchgeführten Experimente zu erfassen und den Umfang zu begrenzen, befasst sich die Arbeit mit Experimenten, die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden.

Bewusst wurde im Untertitel der Begriff „empirische Studien“ verwendet, um zu verdeutlichen, dass es sich bei der Darstellung beziehungsweise Übersicht nicht um Gedankenexperimente handelt, wie sie in diesem Bereich durchaus üblich sind, sondern um experimentelle Forschungen.

Im theoretischen Teil wird, nachdem die zentralen Begriffe definiert worden sind, die Diskussion zur Willensfreiheit aus verschiedenen Blickwinkeln (Philosophie, Theologie, Strafrecht sowie Menschenbilder und Paradigmen) in Kürze dargestellt. Danach werden anatomische und funktionelle Grundlagen für die relevanten neuronalen Prozesse erläutert. Der erste Teil schließt mit einer Beschreibung des Experiments von Libet et al. (1983) sowie kritischen Stimmen dazu.

Im Rahmen der Literaturrecherche in den Datenbanken Pubmed und PsycLit und den zusätzlich aufgefundenen Literaturangaben in den entsprechenden Publikationen, konnten insgesamt 112 experimentelle Studien zum Thema ausfindig gemacht werden. Aus Gründen der Ü̈bersichtlichkeit sowie inhaltlichen und experimentaltechnischen Bewandtnissen, erschien es angebracht, diese Studien in sechs Cluster zu gliedern.

Auf eine Kurz-Darstellung dieser empirischen Experimente (alphabetisch und chronologisch sortiert), die bisher nicht vorlag, folgt eine zusammenfassende Darstellung in den jeweiligen Clustern. Einige wesentliche der sich aus den empirischen Forschungen ergebenden Schlussfolgerungen können in fünf Thesen zusammengefasst werden:

Es gibt den freien Willen, aber nur in Verbindung mit der „Veto-Funktion“. Im Gehirn kommen neurophysiologisch Impulse zustande und erreichen das Bewusstsein vor der möglichen Bewegung. Libet (2006: 543) behauptet, dass der freie Wille letztendlich der Wille ist, etwas „nicht zu tun“. Er meint nachweisen zu können, dass eine durch das BP eingeleitete Handlung noch kurz vor der geplanten Ausführung gestoppt werden kann.
Die Versuchspersonen werden in solchen Experimenten aufgefordert, die Bewegung zwar vorzubereiten, sie jedoch kurz vor einem festgesetzten Zeitpunkt zu unterbrechen. Es stellte sich heraus, dass dies noch bis zu 100ms vor der geplanten Ausführung möglich ist. Unklar bleibt jedoch, ob Libet mit seinen Versuchen wirklich einen plausiblen Nachweis für die Möglichkeit eines „Veto“ erbracht hat. Der Nachweis setzt voraus, dass die Versuchspersonen eine wirklich angebahnte Aktion spontan unterbrochen haben. Da die Versuchspersonen aber schon bei der Einleitung ihrer Aktion wussten, dass sie diese Aktion zu einem bestimmten Zeitpunkt abbrechen werden, enthält das Experiment womöglich eine entscheidende Schwachstelle. Die Zeittafel demonstriert verschiedene Willensakte in Bezug zu ihrem zeitlichen Abstand. Je weiter man sich von links nach rechts bewegt, desto weniger ist der Akteur von Impulsen und dem BP determiniert. Während z. B. ein Bizepssehnenreflex völlig unfreiwillig abläuft, erfordern längerfristig geplante Willenshandlungen einen bestimmten Zeitaufwand. Wenn sich ein Unternehmen nach reiflicher Ü̈berlegung neu auf dem Markt positionieren möchte und seinen Aktionären auf einer Versammlung die Langzeitziele präsentiert, ist der zeitliche Abstand der Willensakte entsprechend groß.

Die Experimente gelten demnach nur für kurzfristige Bewegungen ohne Handlungsalternativen. Ist es daher überhaupt legitim, bei diesen Experimenten von einer „Entscheidung“ zu sprechen? Der dokumentierte Zeitpunkt der bewussten Handlung wäre also nicht der bewusste Entschluss, die Handlung durchzuführen, sondern nur der Beginn der Muskelaktivität, zu der sich die Versuchsperson ja bereits zu Versuchsbeginn entschlossen hatte, sie im Rahmen des Versuches zu realisieren. Des Weiteren sind individuelle Erfahrungen genauso wie psychosoziale und gesellschaftliche Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die bei der Entscheidungsfindung eine gewichtige Rolle spielen.
Ein einfaches Beispiel mit diversen Zeithorizonten von Handlungsabsichten kann diese Problematik bildhaft darstellen: Ein Tankstellenbetreiber greift nach Feierabend in die Kasse und steckt sich die Geldscheine in die Hosentasche. Diese Bewegung dauert nur einen Bruchteil von Sekunden; der Tankstellenbetreiber hat jedoch insgeheim vor einem Jahr beschlossen, seinen Profit illegal zu steigern. In diesem Fall trügt der Anschein einer „kurzfristigen Bewegung“, da die Steuerhinterziehung lange vorher geplant war.

Die Diskussion um die Frage nach der Willensfreiheit wird nicht zuletzt von wissenschaftspolitischen Interessen getragen (wissenschaftssoziologischer Hintergrund). Ein gewisser Hype in der Diskussion um die Willensfreiheit wurde in Deutschland vornehmlich durch die Hirnforscher Wolf Singer und Gerhard Roth getriggert. Dabei dürften nicht nur sachliche Beweggründe eine Rolle gespielt haben. „Man kann die Vermutung nicht ganz von der Hand weisen, dass die Ablehnung der Willensfreiheit auch ein taktisches Spiel im Wettbewerb um Forschungsgelder darstellt“ (Heidelberger 2005: 196). Die Debatte breitete sich dann von der Neurophysiologie über die Philosophie bis in die Theologie und die Jurisprudenz aus. Viele selbsternannte „Experten“ befassten sich damals mit diesem Thema, ohne aber über adäquate wissenschaftliche Grundlagenkenntnisse zu verfügen. Dieser Kontext ist zu berücksichtigen, wenn man bestimmte Teile der Debatte um die Willensfreiheit einschätzen will.

Im Hinblick auf den strafrechtlich-normativen Schuldbegriff darf nur derjenige bestraft werden, der für zurechnungsfähig erklärt wird. Die Grenzen, wann ein Täter zurechnungs- beziehungsweise schuldfähig ist, werden von forensischen Psychiatern festgelegt (Kröber 2010: 226). Beispielsweise erkläre der pathologische Trieb bei einem pädophilen Gesetzesbrecher niemals zur Gänze seine Straftaten, da jeder gesunde Mensch in der Lage sei, eine verbotene Handlung zu unterlassen. Da das Spektrum der Willensfreiheit beim Pädophilen im Gegensatz zum Gesunden womöglich „verrückt“ ist, ist dies in der Strafrechtsgesetzgebung zu berücksichtigen.

Wenn eine spezifische Gehirnaktivität tatsächlich vor der bewussten Handlung nachweisbar ist, stellt sich die Frage, ob der Willensakt von Naturgesetzen (oder gar einer „göttlichen Instanz“) determiniert beziehungsweise vorherbestimmt ist. Ein solcher übergeordneter „unbewusster“ Vorgang würde die neuronale Aktivität im Gehirn dominieren und damit die Willensfreiheit zur Illusion machen. Libet beschreibt den Determinismus als einen Zustand der Übereinstimmung des Individuums mit den Naturgesetzen und schlussfolgert, dass bei den gegebenen Einschränkungen das Konzept der Willensfreiheit nur mit einem „weichen Determinismus“ kompatibel sei.

Die computergestützte Neurowissenschaft ist ein relativ neues Gebiet in der Hirnforschung und verknüpft experimentelle Studien, Ergebnisanalysen und Theoriebildungen miteinander. Die interdisziplinären Arbeitsgruppen bestehen idealerweise aus Physikern, Biologen, Informatikern, Mathematikern und Medizinern. Der relativ aktuelle Forschungsstand spiegelt sich in der Arbeit von Soon et al. (2008) wieder. Die Autoren nutzen das Prinzip der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT). Sie behaupten, dass sie mit einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit (Zufall = 50:50) ableiten können, ob eine Versuchsperson einen Knopf mit dem linken oder rechten Zeigefinger drücken wird, und zwar 10 s vor einer bewussten Entscheidung.

Soon et al. entdecken zwei Hirnbereiche, die aufgrund der Durchblutungsmuster für die subjektive Entscheidung verantwortlich sein sollen: Das Brodmann-Areal 10 im frontopolaren Kortex und ein kleines Areal im parietalen Kortex. Angeblich können die Versuchsleiter anhand dessen vorhersagen, wie sich ein Mensch entscheiden wird. Dieses Experiment wirft Fragen auf: Ist dieses Ergebnis, das 10 % über der regulären Wahrscheinlichkeit liegt, überhaupt glaubwürdig? Entscheidet „das Gehirn“ so lange vorher vor dem Bewusstsein der Absicht, ob man links oder rechts drücken werde? Glauben wir demnach letztlich nur, dass wir Entscheidungen bewusst fällen und diese sind vielmehr schon weit vor der bewussten Entscheidung determiniert?

Die aus der Hirnforschung gewonnenen Erkenntnisse können sehr unterschiedlich genutzt werden. Das „Neuromarketing“ ist z.B. eine Methode, die sich mit Ergebnissen der Hirnforschung beschäftigt. Es nutzt z.B. die fMRT, um die Hirnareale abzubilden, die mutmaßlich durch die Werbung angesprochen werden. Primär ist hier das limbische System zu nennen. Diese zerebrale Funktionseinheit dient sowohl der Emotionsverarbeitung als auch der Generierung von Impulsen. Wenn z.B. eine erotische Werbekampagne große Begeisterung bei der männlichen Zielkäuferschicht auslöst, würde sich wohl in der fMRT gemäß dem Motto „sex sells“ ein Anstieg des regionalen zerebralen Blutflusses (rCBF) im limbischen System nachweisen lassen. Demzufolge möchten Geschäftsleute die individuellen Verhaltensmuster potentieller Kunden besser verstehen und im besten Fall die Kaufentscheidung zu ihren Gunsten beeinflussen.

Des Weiteren wird eine Einsatzmöglichkeit der Erkenntnisse aus der Hirnforschung als Lügendetektor beziehungsweise im weitesten Sinne zum „Gedankenlesen“ diskutiert. Der vermeintliche Lügner verbraucht demnach mehr Energie als derjenige, der unverzüglich die Wahrheit sagt. Der rCBF kann aber auch unspezifisch erhöht sein. Daher gibt die aktuelle Datenlage keine eindeutige Antwort zu dieser Thematik, so dass der Einsatz der fMRT als Lügendetektor umstritten ist.

Der Hirnforscher John-Dylan Haynes meint, dass es möglicherweise irgendwann in der Zukunft ein abstraktes Nachschlagewerk gebe, das jeden möglichen Gedanken eines Menschen archiviert und einem spezifischen Hirnaktivitätsmuster zuordnet. Dieses Science-Fiction-Szenario könnte zur Überwachung ausgewählter Personengruppen, wie z.B. Straftäter auf Wochenendfreigang, eingesetzt werden. Dieses utopisch anmutende Beispiel scheitert heutzutage noch daran, dass keine Methode greifbar ist, mit dem man dieses Nachschlagewerk auffüllen könnte. Soviel zu Denkbarkeiten und Spekulationen. Doch nun zu den wissenschaftlichen Diskursen und den grundlegenden empirischen Experimenten.